Am Wendepunkt: Aktuelle Engagement-Trends

Nach über einem Jahr beispielloser Veränderung ist es wichtig zu verstehen, welchen Schwankungen das Mitarbeiterengagement unterliegt, damit Ihr Unternehmen die Segel für eine erfolgreiche Zukunft setzen kann. Kincentric analysiert seit drei Jahrzehnten weltweit die Trends und Entwicklungen in den Bereichen Mitarbeiterengagement und -erfahrung. Da das zweite Quartal 2021 offenbar einen Wendepunkt darstellt, fasst unser aktueller Trendreport die wichtigsten Erkenntnisse zusammen und gibt Empfehlungen, wie Unternehmen die neuen Herausforderungen managen können.

Ein Wendepunkt

Trotz eines deutlichen Anstiegs im zweiten Quartal 2020 ist das Mitarbeiterengagement in der zweiten Jahreshälfte 2020 sowie im ersten Quartal 2021 relativ konstant geblieben. Das zweite Quartal diesen Jahres bedeutet jedoch einen Wendepunkt für Unternehmen: Wir liegen wieder unterhalb der Engagement-Werte, die vor COVID-19 gemessen wurden. Daher müssen wir uns die Frage stellen: Wie geht es uns damit, dass nach den harten Lektionen der letzten anderthalb Jahre keinerlei Fortschritte bei der Employee eXperience zu verzeichnen sind?

Warum ist das Engagement im zweiten Quartal 2021 gesunken?

Um die Gründe dieses Rückganges besser zu verstehen, haben wir die Daten aus 150 Einzelunternehmen und 600.000 Mitarbeiterantworten aus dem zweiten Quartal 2021 analysiert. Diese zeigen, dass die Erfahrungen der Mitarbeitenden am Arbeitsplatz nicht isoliert betrachtet werden dürfen, sondern in positiver und negativer Weise mit Feedback-Schleifen zusammenhängen. Im Vergleich zum Prä-COVID-Jahr 2019 beobachten wir einige aufschlussreiche Trends, die verdeutlichen, dass der Aufstand der Talente Wirkung zeigt:

  • Viele Studien belegen, dass die Anzahl der Kündigungen 2021 und 2022 zugenommen hat beziehungsweise auch weiter zunehmen wird. Nach relativ wenigen Kündigungen im Jahr 2020 dürfte der Grund ein Mix sein aus „Nachholbedarf“ und einem schwierigeren Arbeitsmarkt mit stark veränderten Arbeitnehmererwartungen. In unserer Datenbank sehen wir dies an einem Rückgang der „Stay“-Werte um 3 Prozentpunkte gegenüber 2019 und der ersten Jahreshälfte 2020.
  • Der Personalabgang zwingt Unternehmen dazu, neue Talente zu finden und zu halten. Weltweit sind nur 58 Prozent der befragten Mitarbeitenden der Meinung, dass ihr Unternehmen die richtigen Bewerber anzieht. Und nur 56 Prozent sind überzeugt, dass ihr Unternehmen jene Mitarbeitenden hält, die es zum Erreichen der Unternehmensziele braucht. Dies ist ein Rückgang von sechs beziehungsweise sieben Punkten gegenüber 2019 (und auch ein Rückgang gegenüber dem ersten Quartal 2021).
  • Der wahrgenommene Mangel an geeignetem Personal wird sich natürlich auf die Work-Life-Balance der Mitarbeitenden auswirken. Dass viele von ihnen gestresst und überarbeitet sind und sich ausgebrannt fühlen, ist kein Geheimnis. Stressbedingte Erschöpfung war bereits Thema früherer Kincentric-Trendreports. Im zweiten Quartal 2021 sehen wir nun im Vergleich zu 2019 einen Rückgang um sieben Punkte bei der Wahrnehmung einer angemessenen Work-Life-Balance (aktuell 61 Prozent). Da sich individuelle Definitionen von „Work-Life-Balance“ ändern, müssen Unternehmen über hybride Arbeitsmodelle hinaus das Wie, Wann und Wo der Arbeit neu denken.
  • Während 2020 fast alle Unternehmen angaben, dass das Wohlbefinden ihrer Mitarbeitenden für sie hohe Priorität habe, ist auch hier im zweiten Quartal 2021 ein starker Rückgang zu verzeichnen: Nur noch 68 Prozent der Befragten meinten, ihr Unternehmen kümmere sich ausreichend um das Wohlbefinden der Mitarbeitenden – neun Prozent weniger als im Jahr 2019. Besonders auffällig ist, dass sich die Wahrnehmung von Senior Managern im Hinblick auf ihr Interesse und ihre Fürsorge für das Wohlbefinden der Mitarbeitenden verschlechtert hat: Von ursprünglich sehr hohen 85 Prozent in der ersten Hälfte 2020 auf 74 Prozent in Q2 2021. Diese Entwicklungen hängen wahrscheinlich damit zusammen, dass Konzepte wie „Wohlbefinden“ und „Fürsorge“ zunehmend anders verstanden werden. Sie deuten aber auch auf die Besorgnis hin, was die Pläne zur Rückkehr ins Büro betrifft und die Frage, wie das „Next Normal“ und die damit verbundenen hybriden Arbeitsmodelle aussehen werden.
  • Wohlbefinden und Work-Life-Balance geraten aus dem Blickfeld, die Pandemie und ihre Folgen bleiben allgegenwärtig. Verständlich also, dass Mitarbeitende unsicher sind, was die Zukunft bringen wird. Senior Manager waren noch vor kurzem sichtbarer und zugänglicher als je zuvor: Sieben von zehn Mitarbeitenden nahmen das Management im zweiten Quartal 2020 als offen und aufrichtig wahr. Diese Sichtweise hat sich allerdings in letzter Zeit verändert, besonders im Hinblick auf die Zukunft. Nach Meinung der Befragten gelingt es dem Senior Management weniger gut, ihren Mitarbeitenden überzeugende Zukunftsperspektiven zu geben und den künftigen Kurs zu erklären (jeweils minus drei Punkte gegenüber 2019) – dies insbesondere im Hinblick auf die Zukunft des Unternehmens und die Unsicherheit über ihren individuellen Verbleib im Unternehmen.
  • Verknüpft man beide Punkte, überrascht es nicht, dass Mitarbeitende weniger Vertrauen in ihre Karrierechancen haben – nur etwas mehr als die Hälfte (55 Prozent) sehen ihre Zukunft optimistisch (ein Rückgang von sechs Punkten gegenüber 2019). Fehlende Karrierechancen wirken sich häufig negativ auf das Engagement aus und sind ein Indikator für Fluktuation aufgrund freiwilliger Kündigungen. In einer weitgehend virtuellen Arbeitsumgebung wird es für Unternehmen nicht einfacher, ihren Mitarbeitenden interessante Perspektiven zu bieten.

Was passiert, wenn Mitarbeitende mit Sorge in die Zukunft blicken und keine beruflichen Aufstiegsmöglichkeiten sehen? Das Risiko steigt, dass sie ihre Fähigkeiten in ein anderes Unternehmen mitnehmen und sich dasselbe dort wiederholt. Eine Möglichkeit, diesen Kreislauf zu durchbrechen, besteht darin, die Unternehmenskultur – die Art des Umgangs miteinander und die Werte, Glaubenssätze und Systeme, die das Verhalten bestimmen – daraufhin zu überprüfen, ob sie zur geschäftlichen Strategie des Unternehmens passt. Diese „Kulturanalyse“ braucht Zeit, weil geklärt werden muss, welche Defizite die aktuelle Kultur aufweist und welche Maßnahmen auf welchen Ebenen erforderlich sind, um das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen.

Interessant ist jedoch, dass im zweiten Quartal 2021 nicht alle Werte zurückgegangen sind. Die Beziehung zwischen Mitarbeitenden und ihren Vorgesetzten scheint weniger gelitten zu haben als die zum Unternehmen. So gaben im Vergleich zu 2019 mehr Befragte an, ihre Vorgesetzten würden eine positive Teamatmosphäre schaffen. Ein Grund hierfür könnte sein, dass Manager kompetenter im virtuellen Kontakt mit ihren Mitarbeitenden werden. Wir beobachten schon seit längerem eine wachsende Bedeutung von Caring Leadership, was auch die aktuellen Daten bestätigen.

 

Call to Action: Kehren Sie den Trend um!

Wenn wir diese Trends mit unseren Klienten besprechen, kommt unweigerlich die Frage: „Was kann ich dagegen tun?“ Es gibt zwar viele Faktoren, die über die Wirksamkeit von Maßnahmen in bestimmten Organisationen entscheiden, doch es ist immer sinnvoll auch darüber nachzudenken, wie Sie in Ihrer spezifischen Rolle dazu beitragen können, Ihre Teams voranzubringen:

Wenn Sie Manager sind:

  • Wahrscheinlich führen Sie Ihr Team schon seit über einem Jahr mehr oder weniger virtuell. Inzwischen wird vielleicht über die Rückkehr ins Büro gesprochen. Dies bringt neue Herausforderungen mit sich, so dass Sie weiterhin einfühlsam sein und aktiv zuhören müssen. Trotz des positiven Trends bei der Wahrnehmung direkter Vorgesetzter gab es im zweiten Quartal 2021 zwei Bereiche, in denen wir einen Rückgang gegenüber 2019 festgestellt haben: Bei der Vereinbarung klarer Ziele und dem Feedback während des Jahres (minus drei beziehungsweise minus eins ). Da in Zukunft immer mehr hybrid gearbeitet werden wird, müssen Manager sicherstellen, dass alle Mitarbeitenden – auch die, die nicht vor Ort sind – angemessenes Coaching, Feedback und Klarheit über ihre Aufgaben erhalten.
  • Fragen Sie sich: Wie kann ich klare Ziele mit meinem Team vereinbaren und das ganze Jahr über Feedback geben? Spreche ich mit Mitarbeitenden, die anderswo arbeiten, ebenso häufig wie mit denen, die im Büro sind? Sogenannte „Einsatzbesprechungen“ könnten als Teil eines offenen, ehrlichen und fürsorglichen Dialogs mit Ihren direkten Mitarbeitenden sinnvoll sein.

Wenn Sie Senior Leader sind:

  • Während der Pandemie schätzten die Mitarbeitenden Ihre offene und transparente Kommunikation, doch in Q2 2021 hat sich diese Wahrnehmung eingetrübt? Ihre Mitarbeitenden brauchen Sie, um Klarheit über die Zukunft des Unternehmens – und ihre eigene Zukunft – über das Jahr 2021 hinaus zu erhalten. Senior Leader haben 2020 Erstaunliches geleistet, nicht zuletzt durch eine offene und ehrliche Kommunikation und hohe Präsenz bei den Mitarbeitenden. Viele unserer Klienten konnten beeindruckende Beispiele nennen, wie Führungskräfte in dieser Krise über sich hinausgewachsen sind. Trotzdem hat sich die Wahrnehmung 2021 verschlechtert, vor allem dort, wo es um Zukunftsperspektiven geht – hier herrscht deutliche Skepsis gegenüber den avisierten Zielen, was sich an einem Rückgang von drei Prozentpunkten im zweiten Quartal 2021 zeigt.
  • Fragen Sie sich: Wie kann ich für meine Mitarbeitenden weiterhin präsent bleiben, ihre Motivation stärken und Vertrauen in unsere Zukunftsvision schaffen? Lebe ich die Verhaltensweisen vor, die ich in meinem Unternehmen sehen möchte? Wie kann ich unsere Strategie wirkungsvoll kommunizieren und unseren Mitarbeitenden vermitteln, dass sie an ihrer erfolgreichen Umsetzung beteiligt sind?

Wenn Sie CHRO sind:

  • Die vergangenen anderthalb Jahre haben gezeigt, dass HR-Initiativen, deren Umsetzung Monate oder gar Jahre dauert, in Zukunft nicht mehr funktionieren werden. Investieren Sie jetzt in die HR, um sie kurzfristig und auf lange Sicht schlagkräftig aufzustellen. In vielen unserer Gespräche mit Klienten wurde deutlich, was alles von der HR zu stemmen war und nach wie vor ist. Personalabteilungen müssen nicht nur Prozesse und wesentliche Situationen (z. B. Onboarding, Leistungs- management, Training) auf eine vollständig virtuelle Umgebung umstellen, sondern auch das Unternehmen in Zeiten bedeutender Veränderung unterstützen. Unternehmen sind gefordert, das Potenzial des HR Business Partners voll auszuschöpfen, um sowohl die Unternehmensziele als auch die HR-Funktion selbst optimal zu unterstützen und sicherzustellen, dass HR-Programme auch weiterhin den Bedürfnissen der Belegschaft gerecht werden.
  • Fragen Sie sich: Ist meine HR-Funktion in der Lage, das Unternehmen angemessen zu unterstützen? Verfügen wir über die Strukturen, Prozesse und Führungskräfte, die das Unternehmen braucht, um seine Ziele zu erreichen?

Wenn Sie CEO sind:

  • Kulturelle Aspekte sind im vergangenen Jahr noch wichtiger für den Unternehmenserfolg geworden. In den Führungsetagen vieler Unternehmen wird darüber nachgedacht, ob die aktuelle Unternehmenskultur noch geeignet ist, um künftige geschäftliche Prioritäten umzusetzen. Vielleicht befinden Sie sich gerade mitten in Ihrem eigenen Aufstand der Talente und müssen feststellen, dass immer mehr Mitarbeitende kündigen, weil sie sich dem Unternehmen nicht mehr verbunden fühlen. Symptome gibt es viele, doch die eigentliche Ursache kann eine Kultur sein, die nicht im Einklang mit der Strategie steht und daher nicht geeignet ist, hochqualifizierte Mitarbeiter anzuziehen und zu halten.
  • Fragen Sie sich: Hat unser Unternehmen die Kultur, die wir brauchen, um unsere geschäftlichen Ziele zu erreichen? Stehen Kultur und Strategie im Einklang? Gelingt es mir, sie in einer Weise mit Leben zu erfüllen, die sich positiv auf unsere Performance auswirkt? Wie kann ich unsere Kultur mitgestalten und aus ihr einen potenziellen Wettbewerbsvorteil machen?

Wir befinden uns am Wendepunkt

Nach einer starken positiven Dynamik im Jahr 2020 ist das Engagement jetzt sogar niedriger als vor der COVID-Pandemie in 2019. Gleichzeitig äußern Mitarbeitende ihre Bedürfnisse immer lauter und die Zahl der Kündigungen steigt. Unternehmen sollten sich diesen Aufstand der Talente zunutze machen, die Lehren aus den letzten anderthalb Jahren beherzigen und auf der gewonnenen Agilität und Dynamik aufbauen – denn nur so wird es möglich, sinnvolle Änderungen der Arbeitsmodelle und -umgebungen voranzutreiben, die Mitarbeitererfahrung zu verbessern und eine Kultur zu schaffen, in der sich Mitarbeitende inspiriert, respektiert, verbunden und engagiert fühlen.

 

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